In der Kunststoffindustrie besteht, wie auch in vielen anderen Industriezweigen, ein stetig zunehmender Druck, F&E-Aktivitäten in immer kürzeren Zeiten und außerdem zu geringeren Kosten durchführen zu müssen. Parallel kommt es in der Produktion darauf an, vor dem Hintergrund der Ressourcenschonung und ebenfalls der Kostenreduzierung, die Ausschussrate zu senken, Fehlchargen zu vermeiden.
Eine Fragestellung ist beispielsweise die der Prozessstabilisierung. So muss bei der Entwicklung von neuen Kunststoffcompounds vor dem Hintergrund von Ressourcenschonung und Wirtschaftlichkeit die Kosten/Nutzen optimierte Verarbeitungsstabilisierung ermittelt werden. Hierzu werden bisher Versuchscompounds mit unterschiedlichen Anteilen der Antioxidantien in Form von Konzentrationsreihen hergestellt. Diese werden dann mittels verschiedener Tests, wie z. B. Messung der Volumenfließrate (MVR, DIN 1133-1), offline charakterisiert. Belastbare Ergebnisse erhält man somit erst nach dem Compoundierschritt. Diese Vorgehensweise ist entsprechend langwierig. Die Fragestellung der Prozessstabilisierung besteht sowohl bei der Compoundierung von Neuware als auch bei Rezyklaten.
Ein vielversprechendes Tool zur Unterstützung in der geschilderten Situation, stellt die Online-Rheologie dar, betrieben an dem Compounder zwischen Schneckenspitzen und Strangdüse. Bei dem Compoundieraggregat kann es sich um eine Technikumsmaschine für die Entwicklung oder um eine große Produktionsmaschine handeln. Das Potenzial der Online-Rheologie für die Prozessstabilisierung zeichnete sich bereits in einer ersten Studie am Fraunhofer LBF ab (Kunststoffe 8 (2023) 38-41).
Generell sprechen rheologische Größen wie die scherratenabhängige Scher- und Dehnviskosität in vielen Fällen mit hoher Signifikanz auf Veränderungen der Schmelzeeigenschaften und damit der resultierenden Materialeigenschaften an. Das Dehnrheometer (LDR, Leistritz) ermöglicht eine scherratenabhängige Simultanmessung der beiden Viskositäten. Es verfügt über eine Schlitzkanaldüse, mit der auch gefüllte, wie beispielsweise Glasfasercompounds vermessen werden können und verspricht somit eine sehr flexible Verwendbarkeit.
Das hier vorgeschlagene Gemeinschaftsforschungsprojekt soll den Teilnehmer in die Lage versetzen, eine beschleunigte kostenoptimierte Compoundentwicklung anhand von festgelegten Modelluntersuchungen durchzuführen und für eigene Rezepturen zu prüfen. Auch sollen die Projektpartner dahingehend unterstützt werden, den für sie sich ergebenden Nutzen aus der Anschaffung eines Online-Rheometers einschätzten zu können. Weiterhin werden Erkenntnisse zur Auswirkung von Chargen- bzw. Prozessschwankungen auf die Bauteileigenschaften von spritzgegossenen Teilen erwartet. Diese können helfen, Offline-Analytik einzusparen.
Mögliche Modelluntersuchungen können dabei die folgenden Themen umfassen:
Zu Projektbeginn werden mit den Projektpartnern die Fragestellungen identifiziert, die im Projekt modellhaft bearbeitet werden sollen. Dabei werden auch die für jede Fragestellung als Modellmaterialien zu bearbeitenden Formmassen und Additive sowie die Konzentrationsbereiche und Verarbeitungsbedingungen festgelegt.
Bei den Compoundierversuchen werden Konzentrationsreihen der betreffenden Additive bzw. Füllstoffe gefahren und für jede Zusammensetzung die Fließkurven der Scher- und Dehnviskosität gemessen. Zur Gewinnung von Vergleichsdaten werden die Versuchscompounds offline analysiert. So wird bezogen auf die obigen Beispiele für die Positionen 1-3 mittels GPC die Molmassenverteilung bestimmt. Für Pos. 4 wird z.B. mittels Veraschens der tatsächliche Füllstoffgehalt in den Versuchscompounds ermittelt. Bei den Fragestellungen zum Füllstoffgehalt oder der Prozessierung von Rezyklaten werden außerdem Spritzgießversuche mit sich anschließenden entsprechenden Tests durchgeführt, um die konkrete Auswirkung von Chargenschwankungen auf die Bauteileigenschaften festzustellen.
Untersucht wird schließlich, mit welcher Signifikanz sich die Rheokurven mit den Offline-Befunden korrelieren lassen. Dabei werden ggf. auch chemometrische Verfahren herangezogen.
Alle Ergebnisse werden mit dem Teilnehmerkreis erörtert und in einem Abschlussbericht festgehalten.