Design for Reliability and Sustainability – Bindenähte in technischen Bauteilen

Herausforderung: Materialmix und Vorgeschichte von Rezyklaten

Zuverlässigkeit und Lebensdauer von hochbeanspruchten Strukturbauteilen mit Bindenähten

Wie gewährleisten wir die Zuverlässigkeit und Lebensdauer von hochbeanspruchten Strukturbauteilen mit Bindenähten?

Bindenähte sind aufgrund der Integration von Funktionen und aus Sicht des Leichtbaus nahezu in allen technischen Bauteilen vorhanden. Im Konstruktionsprozess wird mit numerischen Simulationsmethoden oder mittels Erfahrungswerte versucht, Bindenähte in weniger stark belastete oder nicht sichtbare Bauteilbereiche zu verlagern. Dies gelingt nicht immer wie gewünscht, denn durch äußere Einflüsse wie Rheologie der Schmelze, Prozessführung oder Bauteilgeometrie verschiebt sich die Bindenaht oft in nicht vorherbestimmte, kritische oder ausfallrelevante Bauteilbereiche.

Wird man erst bei der Bauteilbemusterung oder beim Freigabeversuch durch einen vorzeitigen Schadensfall darauf aufmerksam, sind Produktionsstart und  Liefertermine meist nicht mehr einzuhalten. In einem so fortgeschrittenen Stadium der Bauteilfreigabe, sind Änderungen am Angusssystem oder am Bauteildesign nur unter hohem finanziellem und zeitlichem Aufwand möglich.

Mit dem verstärkten Einsatz von Rezyklaten durch die ELV-Verordnung der EU, ist die Zuverlässigkeits- und Lebensdauerbewertung von Rezyklaten eine besondere Herausforderung. Durch den Materialmix und die Vorgeschichte, weisen Rezyklate einen stärkeren Schwankungsbereich der Rheologischen-, Morphologischen- und Prozesseigenschaften auf, welche für Bindenähte eine besondere Herausforderung sind.

Zuverlässigkeit und Lebensdauer von hochbeanspruchten Strukturbauteilen mit Bindenähten

Forschungsfragen zu Wirkzusammenhängen von Bindenähten in hochbeanspruchten Anwendungen

Dabei sollen mit den folgenden Forschungsfragen, grundlegende Wirkzusammenhänge aus Rheologischen-, Morphologischen-, Prozess und Langzeiteigenschaften in hochbeanspruchten Anwendungen untersucht werden:

  • Was sind die Einflussparameter auf eine „gute“ und „schlechte“ Bindenahtqualität?
  • Welche mikroskopische Füllstoff- oder Faserorientierung und Verteilung liegt in der Bindenaht insbesondere im Bereich der Fließfronten vor?
  • Welche morphologischen Unterschiede (Viskosität, Molmassenverteilung, Füll- und Verstärkungsstoff) beeinflussen Bindenahteigenschaften?
  • Welche mechanischen Eigenschaften (statisch, zyklisch, Anriss- und Rissausbreitung) resultieren an Bindenähten für unterschiedliche thermoplastische Kunststoffe in Abhängigkeit deren Füll- und Verstärkungsstoff?
  • Welche Möglichkeiten bestehen, die Lebensdauer und Zuverlässigkeit von Bauteilen mit Bindenähten zu verbessern?

Durch die Kenntnisse der Wechselwirkungen aus Rheologie, Morphologie und Prozess können Bindenähte hinsichtlich deren Zuverlässigkeit und Langzeiteigenschaften besser bewertet werden. Diese Kompetenz eignen sie sich in diesem industriellen Verbundvorhaben „Design for Reliability – Bindenähte in technischen Bauteilen“ an. Nehmen sie teil und profitieren sie vom KnowHow des Fraunhofer LBF.

modell und probekörper - bindenähte / weld lines

Schwerpunkte und Vorgehensweise

Grundlegende Literaturrecherche und Auswertung

Basierend zu den im Verbund ausgewählten Materialien (z.B. PP, rPP, PA6, rPA6 oder PPA) sowie unter Berücksichtigung deren Füll- und Verstärkungsstoffen wird eine orientierende Recherche verfügbarer Materialien durchgeführt. Dazu werden die Materialeigenschaftsprofile und die zu erwartende Bindenahtqualität zusammengestellt und erste resultierende Herausforderungen abgeleitet.

Ermittlung der rheologischen- und morphologischen Eigenschaften zur Abschätzung der anwendungsspezifischen Eignung und Bindenahtqualität

Mit Hilfe von analytischen Untersuchungen wird der Istzustand hinsichtlich der rheologischen- und morphologischen Materialeigenschaften ermittelt. Diese dienen zur Bewertung und Beschreibung, sowie der Ableitung von Prozessparametern für gute oder schlechte Bindenahtqualität.

Untersuchung der Langzeiteigenschaften

Mittels eines Spitzgießwerkzeuges mit speziellen Einsätzen werden am Fraunhofer LBF Prüfkörper mit Bindenaht hergestellt. Dabei sollen Prozessparameter gezielt so beeinflusst werden, dass „gute“ und „schlechte“ Bindenahteigenschaften resultieren. An diesen soll gezielt die Wechselwirkung der Kerbwirkung (Form des umflossenen Kerns) auf die statischen und zyklischen Langzeiteigenschaften untersucht werden.

Mikroskopische und makroskopische Morphologie in der Bindenaht

Ein besonderes Augenmerk soll auf die mikroskopische und makroskopische Morphologie in der Bindenaht gelegt werden. Mikroskopisch wird der Bereich der Bindenaht mittels µ-CT und Mikroskopie auf die lokale Faserorientierung und Zusammenfluss der Schmelzefließfronten untersucht. Makroskopisch wird die Rissinitierung und die Rissausbreitung sowie das Schadensbild unter statischer und zyklischer Beanspruchung untersucht.

Ableiten eines Maßnahmenkataloges

Die ermittelten Materialeigenschaften aus Rheologie, Mechanik sowie aus mikroskopischer und makroskopischer Morphologie fließen in einen Maßnahmenkatalog zur Zuverlässigkeitsbewertung ein. Mit diesem Maßnahmenkatalog sind die Verbundpartner in der Lage, die Prozessparameter, die Langzeiteigenschaften und die Zuverlässigkeit besser bewerten zu können und in der frühen Phase der Produktentwicklungen auf kritische Zustände und Bereiche der Bindenaht aufmerksam zu werden.

Die teilnehmenden Verbundpartner sind damit in der Lage ihre Anforderungen gezielt an Materiallieferanten, Fertiger und Zulieferer zu adressieren und haben damit die Möglichkeit ihre Materialrezepturen, das Bauteildesign oder die Prozessparameter anforderungsgerecht anzupassen.

Benefit und Kundennutzen

Know-how aufbauen und mit Vorsprung am Markt bleiben

Teilnehmende Partner dieses Verbundprojekt werden befähigt:

  • die Herausforderungen und Potentiale beim Vorhandensein von Bindenähten bewerten zu können
  • notwendige Materialuntersuchungen zur Qualifikation von Bindenähten abzuleiten
  • ihre eigene Bemessungsmethodik zur Bauteilauslegung anzupassen und so technische Bauteile mit Bindenaht betriebsfest und zuverlässig auszulegen
  • ihre Anforderungen an Materialhersteller sehr spezifisch formulieren zu können

Diese Verbundprojekt richtet sich an Firmen entlang der Wertschöpfungskette beginnend vom Granulat bis hin zum fertigen Bauteil:

  • OEM´s und Hersteller von Kunststoffbauteilen aus der Automobil-, Nutzfahrzeug- oder Weißwaren Industrie, die zukünftig Bauteile mit Bindenaht aus Neuware und Rezyklaten herstellen und deren Zuverlässigkeit und Lebensdauer sicherstellen müssen
  • Recycler, Compoundeure, Aufbereiter, Additivhersteller, die Ihre Materialien zukünftig für anspruchsvolle Anwendungen mit Bindenaht weiterqualifizieren wollen