Mehr als 10.000 Per- und Polyfluoroalkyl-Chemikalien (PFAS) stehen auf der Verbots-Vorschlagsliste der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), die im Februar diesen Jahres veröffentlicht wurde und sich aktuell in der Evaluierung befindet.[1] Hierzu zählen Nicht-Polymere (wie per- und polyfluorierte Alkylverbindungen), die den Großteil dieser Verbindungsklasse darstellen, aber auch PFAS-Polymere wie Fluorpolymere (wie z.B. Polytetrafluorethylen PTFE, Tetrafluorethylen-Hexafluorpropylen-Copolymere (FEP) oder Fluorkautschuke). PFAS-Polymere haben wegen ihrer Beständigkeit (auch unter extremen Bedingungen) und ihrem einzigartigen Eigenschaftsportfolio in vielen Anwendungen und industriellen Produkten, Maschinen und Anlagen Einzug gehalten und sind heute nahezu allgegenwärtig. Im Kontext mit Kunststoff-, Elastomer- und Gummi-Anwendungen werden PFAS-Polymere beispielsweise in Dichtungen, Kabeln und Beschichtungen eingesetzt. Aufgrund Ihrer hohen Beständigkeit sind PFAS jedoch bioakkumulativ und können für die Umwelt eine Gefahr darstellen. Außerdem stehen sie im Verdacht verantwortlich für Gesundheitsschäden zu sein. Da PFAS schon wegen der Kosten oftmals nur dort eingesetzt werden, wo ihre herausragenden Eigenschaften (z.B. hohe Temperatur- und Medienbeständigkeit, Verschleißschutz, elektrische Isoliereigenschaften, etc.) dies unbedingt erfordern, ist eine Substitution in aller Regel nicht ohne Weiteres möglich. Außerdem sind Produkte (z.B. Pumpen, Kompressoren, Armaturen), in denen heute PFAS-Komponenten enthalten sind, meist sehr langlebig und oft länger in Gebrauch als die heute diskutierten Übergangsfristen von maximal 13,5 Jahren. Insofern besteht entlang der Produktkette die dringende Notwendigkeit, möglichst frühzeitig den Einsatz von Ersatz-Materialien zu prüfen und zu bewerten.
Daher ist es das Ziel dieses Verbundprojektes, den relevanten Stand der Technik und Wissenschaft im Kontext PFAS-Substitution für Polymere am Beispiel ausgewählter Anforderungsprofile, Materialien und Anwendungen zusammenzutragen und zu bewerten. Ferner sollen die Möglichkeiten, Vor- und Nachteile, Grenzen und Chancen möglicher Ansätze zur Substitution von PFAS-Polymeren aufgezeigt werden. Diese sollen es den Projektteilnehmern ermöglichen, die eigene Situation und die aus einem möglichen PFAS-Verbot resultierenden, individuellen Herausforderungen und Möglichkeiten besser einschätzen zu können.
[1] https://echa.europa.eu/de/-/echa-publishes-pfas-restriction-proposal, abgerufen am 16.05.2023.
Im Rahmen dieses Verbundprojektes werden zunächst in enger Abstimmung mit dem Projektteilnehmern umfangreiche Kenntnisse zu ausgewählten Anforderungsprofilen typischer Anwendungen (z.B. mit Blick auf relevante Szenarien/Parametern im Bereich von Dichtungsanforderungen) zusammengetragen. Diese werden zu Clustern zusammenführt und mit ausgewählten Eigenschaften heute eingesetzter und kommerziell verfügbarer PFAS-Materialien vergleichend gegenübergestellt. Darüber hinaus werden kommerziell verfügbare Alternativmaterialien/-lösungen recherchiert und mit Blick auf die ausgewählten Anwendungen bewertet. Insbesondere werden hier die Vor- und Nachteile alternativer Werkstoffe bzw. Lösungen, das Marktumfeld (z.B. Anbieter, Produkte bzw. Produktgruppen), aber auch deren Einschränkungen und Potentiale aufgezeigt und herausgearbeitet werden. Letztlich werden für zwei bis drei ausgewählte und gemeinsam festgelegte Anforderungsprofile die in der offenen und Patentliteratur bekannten Ansätze und Maßnahmen zu möglichen PFAS-Alternativen zusammengetragen und vorgestellt.
Zunächst werden in einem orientierenden Screening erste Antworten gefunden zu den gemeinsam definierten Themen/Fragen. Fraunhofer LBF wird die Ergebnisse dieser Screening-Phase den Projektteilnehmern vorstellen. Daraus werden die Schwerpunkt-Themen und Fragen für eine tiefergehende Recherche ausgewählt und gemeinsam festgelegt (zusammen mit ‚must have‘ und ‚nice to have‘ Kriterien). Ein weiterer Fokus der zweiten Projektphase ist die Recherche nach geeigneten Substitutionsmaterialien (z.B. geeignete Materialien, Coating-Lösungen, etc.), ihrer Verfügbarkeit sowie mögliche Hersteller bzw. Lieferanten. Fraunhofer LBF wird dazu ausgewählte Hersteller bzw. Lieferanten kontaktieren und weitere Informationen zu Verfügbarkeiten, Materialkosten und Herstellerempfehlungen sammeln. Abschließend werden zusammen mit den Projektteilnehmern Handlungsempfehlungen abgeleitet mit Blick auf die möglichen Optionen zu PFAS-Substitutionsmaterialien und -lösungen.