Für eine Schwingfestigkeitsbewertung von gelöteten Verbindungen gibt es nach dem Stand der Technik, z.B. nach der FKM-Richtlinie „Rechnerischer Festigkeitsnachweis“, noch keine allgemeinen Empfehlungen, da allgemein für Kupferwerkstoffe und speziell für den Lötgutwerkstoff keine Informationen zu dessen Stützwirkung vorhanden sind. In einem Vorgängerprojekt [1] wurde erfolgreich eine Bewertung von im Durchlaufofen gelötete Proben auf Basis der in der Kerbe auftretenden maximalen Beanspruchungen und zusätzlich mit Berücksichtigung der Stützwirkung durchgeführt. Bei den untersuchten Proben wurden jedoch weder das Fertigungsverfahren noch die Fertigungsparameter variiert, wodurch deren Einfluss auf die Schwingfestigkeit und die Auswirkung auf die Schwingfestigkeitsbewertung nicht weiter untersucht wurden.
Für die Ermöglichung einer zuverlässigen Lebensdauerabschätzung von hartgelöteten Verbindungen wurden Erkenntnisse über Einflussfaktoren von Fertigungsprozess und Prozessparameter auf das Schädigungsverhalten und die Schwingfestigkeit anhand von induktions-, vakuum- und ofengelöteten Versuchsproben mittels experimenteller Schwingfestigkeitsuntersuchungen identifiziert. Die Analyse von Rissinitiierung und Rissfortschritt, welche mit Hilfe von Lichtbildaufnahmen während der Versuche erfolgte, ergab, dass insbesondere rissartige Defekte unterschiedlicher Anzahl und Ausprägung, die bis tief in das Lot hineinreichen können und sich in hochbelasteten Bereichen der Lötradien befinden, einen erheblichen Einfluss auf das Schädigungsverhalten und demnach auf die Schwingfestigkeit haben [2], Abbildung 1. Die im ersten Schritt durchgeführte Bewertung mittels in der Kerbe auftretenden maximalen Beanspruchungen im Vergleich mit der ermittelten Referenzwöhlerlinien aus [1] zeigt, dass nicht-konservative Ergebnisse im Falle von sehr großen Lötradien unter Schälbeanspruchungen und konservative Ergebnisse mit sehr kleinen Lötradien resultieren, Abbildung 2. Eine deutliche Verbesserung der Lebensdauerabschätzung kann mit zusätzlicher Berücksichtigung der Stützwirkung erreicht werden, Abbildung 3. Dabei ergibt sich, ungeachtet von der vorliegenden Lötnahtqualität, eine Referenzwöhlerlinie mit einem typischen Streuband für geschweißte Verbindungen [3]. Einige wenige Proben, die auch nach Berücksichtigung der Stützwirkung im nicht-konservativen Bereich liegen, zeigen jedoch, dass die Schwingfestigkeit von hartgelöteten Verbindungen nicht allein durch die Größe des Lötradius bestimmt wird, sondern auch die Lötnahtqualität berücksichtigt werden muss.
Die Schwingfestigkeit von hartgelöteten Verbindungen kann, unabhängig vom gewählten Fertigungsverfahren und verwendeten Parametern, unter Berücksichtigung der Stützwirkung mit einer für Schweißverbindungen typischen Streuung abgeschätzt werden. Durch die ermittelte Korrelation vom Spannungsgefälle und Größe des Lötradius, kann die Schwingfestigkeitsbewertung auch mit deutlich reduziertem numerischem Modellierungsaufwand erfolgen, da lediglich die maximale resultierende Spannung an der Oberfläche der Lötradien ermittelt werden muss. Somit lässt sich die Schwingfestigkeitsbewertung bereits im Entwicklungsprozess integrieren.
[1] Baumgartner, J., Tillmann, W., Bobzin, K., Öte, M., Wiesner, S., & Sievers, N. (2020). Fatigue of brazed joints made of X5CrNi18-10 and Cu110 and derivation of reliable assessment approaches. Welding in the World, 64(4), 707–719. https://doi.org/10.1007/s, doi: 10.1007/s40194-020-00850-1.
[2] Jöckel, A., et al. "Influence of brazing process and gap size on the fatigue strength of shear and peel specimen." Welding in the World (2022): 1-15
[3] Baumgartner, J., Schmidt, H., Ince, E., Melz, T., & Dilger, K. (2015). Fatigue assessment of welded joints using stress averaging and critical distance approaches. Welding in the World, 59(5), 731-742.
Das Forschungsvorhaben wurde im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF-Nr. 20370 N) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) e.V. aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Der Abschlussbericht ist über die FVV e.V. erhältlich.
Projektpartner:
Institut für Oberflächentechnik (IOT), RWTH Aachen
Lehrstuhl für Werkstofftechnologie (LWT), Technische Universität Dortmund