Anwohner in benachbarten Siedlungen werden durch Lärm, den Logistikvorgänge in Häfen verursachen, beeinträchtigt. Die lautesten Geräusche entstehen hier beim Umsetzen und der Verladung von Containern. Um die Beeinträchtigung zu reduzieren sind Maßnahmen, die direkt bei der Geräuschemission des einzelnen Containerhandlings ansetzen, also besonders wirksam. Da die Container selbst nicht lärmmindernd ausgerüstet werden können, wird die Lärmausbreitung durch ein ANC-System aktiv reduziert.
Eine wesentliche Schwierigkeit stellt die im Vorfeld unbekannte Signalform des Störgeräuschs dar. Daher muss ein adaptives, breitbandig wirksames System zum Einsatz kommen. Ähnliche Systeme sind bekannt aus ANC-Kopfhörern, die mit Hilfe von Mikrofonen auf der Außen- und Innenseite einfallenden Lärm aktiv reduzieren können.
Im Gegensatz zu geschlossenen Räumen, wie zwischen Kopfhörer und Trommelfell, gibt es im Freifeld keine festen Positionen, an denen Wellen bestimmter Frequenz vollständig ausgelöscht werden können. Um einen ausgedehnten akustischen Schatten durch das ANC-System zu erzeugen, muss ein Array von Lautsprechern eingesetzt werden. Dieses kann eine virtuelle Schallschutzwand bilden. Die erforderliche Multiple-Input-Multiple-Output-Konfiguration (MIMO) benötigt in Kombination mit dem breitbandigen Vorwärtsregler eine hohe Recheneffizienz der eingesetzten Algorithmen, um auf kompakter Hardware in Echtzeit ausführbar zu sein.
Im Rahmen des Projektes wird ein Demonstrator im bayernhafen Nürnberg aufgebaut. Dort sind vier Portalkräne im Einsatz, um im trimodalen Terminal TriCon Container zwischen Straße und Schiene umzuladen. Einer dieser Kräne wird mit Mikrofonen und Lautsprechern ausgerüstet. Die Referenzmikrofone nehmen die vom Container ausgehenden Geräusche auf. Daraus werden geeignete Gegenschallsignale berechnet und über ein Lautsprecherarray wiedergegeben. Das verbleibende Geräusch außerhalb des Arbeitsraums wird durch Fehlermikrofone erfasst. Das ANC-System passt sich adaptiv auf veränderte Ausbreitungsbedingungen an, um das Restgeräusch zu minimieren. Durch die Verwendung wetterfester Lautsprecher und Mikrofongehäuse ist das System für einen dauerhaften Einsatz vorbereitet.
Ein wesentlicher Inhalt des Projekts ist die Nutzung von IoT-Technologien zur Einbindung der Stakeholder und Datenquellen im Hafenumfeld. Dazu haben Forschende am Fraunhofer LBF zusammen mit Projektpartnern ein Dashboard entwickelt, auf dem aktuelle Zustandsdaten des ANC-Systems dargestellt werden. Das ANC-System kann als Sensorknoten in ein größeres IoT-System zum Lärmmanagement eingebunden werden.
Das demonstrierte System erreicht eine Reduktion von 6 dBA, das entspricht einer Halbierung des Schalldrucks. Theoretische Betrachtungen zeigen mögliche Reduktionen bis zu 20 dBA durch die Verwendung zweidimensionaler Lautsprecher-Arrays.
Durch die Reduktion des emittierten Schalls ist ein erhöhtes Umschlagsvolumen erreichbar. Insbesondere in den Nachtstunden, in denen feste Lärmkontingente die Umschlagszahlen begrenzen, kann die Effizienz des Hafenbetriebs damit gesteigert werden.
Verbundpartner im Projekt »I²PANEMA« sind Materna SE, NXP, catkin, Uni Rostock, ProDevelop, Erste, VTEK, SRDC, Turkcell, NautilusLog, Fraunhofer IML und Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF sowie die Häfen HPA, Port of Gijon, Assan Port, Safi Port, bayernhafen Nürnberg, DeltaPort Wesel, DSW21 und der Bund öffentlicher Binnenhäfen BÖB.
Ausgezeichnet mit dem Sonderpreis für herausragende unternehmerische und wissenschaftliche Leistungen anlässlich des 25-jährige Jubiläums des »Center for Transportation & Logistics – Neuer Adler e. V.« (CNA) am 28. Oktober 2021 in Nürnberg: Presseinformation