Bei der Verwendung von Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS) für Großgussbauteile mit hohen Wandstärken können insbesondere bei mischkristallverfestigten GJS-Güten unerwünschte Graphitdegenerationen im Werkstoffgefüge auftreten. In der Praxis geht die Detektion gewisser Graphitdegenerationen, z.B. durch zfP-Verfahren, meist mit dem Ausschuss des entsprechenden Bauteils einher, da degenerierter Graphit die Werkstoffbeanspruchbarkeit i.d.R. verringert. Zur besseren Klassifizierung verschiedener Graphitentartungen sowie zur Ermittlung ihrer Einflüsse auf die Schwingfestigkeit wurden im Forschungsprojekt »DeGra« GJS-Werkstoffe mit vorliegenden Entartungen untersucht. Hierbei wurden Erkenntnisse aus quasi-statischen und zyklischen Untersuchungen mit Erkenntnissen aus der digitalen Bildauswertung metallographischer Schliffbilder korreliert. Dies ermöglicht die Bewertung der mechanischen Eigenschaften bei häufig lokal vorliegenden Entartungen im Bauteil zur Verringerung von Ausschuss und Schrott.
Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS) findet aufgrund der vorteilhaften Werkstoffeigenschaften sowie gestalterischen Freiheiten durch den Fertigungsprozess Gießen in vielen Bereichen der Energie- und Antriebstechnik sowie dem Allgemeinen Maschinenbau Anwendung. Bei der Verwendung von GJS für Großgussbauteile mit hohen Wandstärken können insbesondere bei mischkristallverfestigten GJS-Güten unerwünschte Graphitdegenerationen im Werkstoffgefüge auftreten. In der Praxis geht die Detektion gewisser Graphitdegenerationen, z.B. durch zfP-Verfahren, meist mit dem Ausschuss des entsprechenden Bauteils einher, da degenerierter Graphit die Werkstoffbeanspruchbarkeit in der Regel verringert. In Normen und Richtlinien sind die Klassifizierungen und Auswirkungen vieler Graphitdegenerationen auf die zyklischen Werkstoffeigenschaften bisher jedoch nicht aufgeführt.
Im Forschungsprojekt „DeGra“ wurden zur besseren Klassifizierung der verschiedenen Graphitentartungen sowie zur Ermittlung ihrer Einflüsse auf die Schwingfestigkeit ferritische GJS-Werkstoffe mit vorliegenden Entartungen untersucht. Hierbei wurden Erkenntnisse aus quasi-statischen und zyklischen Untersuchungen bei verschiedenen Lastverhältnissen mit Erkenntnissen aus der digitalen Bildauswertung metallographischer Schliffbilder korreliert. Für die Untersuchungen wurden Versuchskörper aus EN-GJS-400-18LT, EN-GJS-450-18 und EN-GJS-500-14 mit Anteilen an Vermiculargraphit, Chunky-Graphit oder Spiky-Graphit bereitgestellt.
Nachfolgend sind wird beispielhaft auf ausgewählte Ergebnisse für den Werkstoff EN-GJS-500-14 eingegangen.
Die chemische Zusammensetzung der isoliert abgegossenen YIV-Versuchskörpern aus EN-GJS-500-14 wurde über den Zusatz an Antimon variiert, um Werkstoffe mit verschiedenen Anteilen an Spiky-Graphit zu erhalten. Die Versuchskörper ohne Antimonzusatz wiesen aufgrund der generell langsamen Erstarrung aller Versuchskörper Chunky-Graphit anstelle von Spiky-Graphit auf. In Abb. 1 ist der YIV-Versuchskörper aus EN-GJS-500-14 und der Probenlageplan dargestellt. Entsprechend sah die Probenentnahme für die weiteren untersuchten Werkstoffe aus. Aus sämtlichen Versuchskörpern wurden Zugproben zur Ableitung der quasi-statischen Werkstoffkennwerte sowie Rundproben für die Schwingfestigkeitsuntersuchungen entnommen. Die Probenentnahme fand sowohl an Positionen nahe dem thermischen Zentrum als auch an zentrumsfernen Positionen statt, um die Abhängigkeit zwischen der Erstarrungszeit und der Ausbildung von Graphitdegenerationen und den Einfluss von Gefügeunterschieden auf die mechanischen Eigenschaften zu untersuchen. Dafür wurden aufbauend auf den Ergebnissen der quasi-statischen und zyklischen Untersuchungen Gefügeanalysen mit Fokus auf die vorliegenden Graphitmorphologien durchgeführt.
Die Untersuchung der Graphitmorphologie wurde an bruchflächennahen Schliffen ausgewählter Proben durchgeführt. Aufgrund des Mangels an Parametern in den gängigen Normen zur Klassifizierung der Graphitmorphologie und insbesondere der Graphitdegenerationen, wurde für die Graphitanalyse ein Auswertemethodik entwickelt und die dafür notwendigen Parameter bestimmt. Dabei wurde sich an den in den Normen gegebenen Richtreihenbildern und den Verfahrensbeschreibungen orientiert. In Abb. 2 sind beispielhaft die wichtigsten Schritte der automatisierten digitalen Bildauswertung dargestellt. Nach dem Einlesen der Schliffbildaufnahme werden über eine Binärisierung die Graphitpartikel von der metallischen Matrix abgegrenzt, vereinzelte Graphitpartikel den Normen entsprechend für die weitere Analyse ausgeschlossen und die verbleibenden Partikel in die Graphitklassen eingeteilt.
Neben quasi-statischen Untersuchungen anhand von Zugproben wurden mit den Schwingproben unter anderem kraftgeregelte Schwingfestigkeitsuntersuchungen unter Axialbelastung mit Wechselbelastung (R = -1) und Zugschwellbelastung (R = 0) durchgeführt, um die Wöhlerlinien abzuleiten. Als Auszug aus den gesamten Ergebnissen zeigt Abb. 3 das Ergebnis der Gegenüberstellung der am EN-GJS-500-14 ohne Zusatz von Antimon und der am EN-GJS-500-14 mit Zusatz von 88 ppm Antimon ermittelten Wöhlerlinien für Wechselbelastung. Zusätzlich sind die ermittelten Anteile an Chunky-Graphit und Spiky-Graphit an den Datenpunkten der entsprechenden Proben angegeben.
Die Betrachtung der vorliegenden Anteile an Graphitdegeneration mit den Schwingfestigkeiten der entsprechenden Proben zeigt, dass für beide Werkstoffzustände ein höherer Anteil an Graphitdegeneration zu einer verminderten Schwingfestigkeit führt. Dieses Verhalten tritt sowohl im niederzyklischen als auch im hochzyklischen Lebensdauerbereich auf. Beim EN-GJS-500-14 mit Spiky-Graphit korreliert der Anteil an Spiky-Graphit direkt mit der Lebensdauer bei gegebener Spannungsamplitude. Bei EN-GJS-500-14 mit Chunky-Graphit ist hingegen keine direkte Korrelation festzustellen, sondern dass das grundsätzliche Vorkommen von höheren Chunky-Graphit-Anteilen in einer verminderten Ermüdungsfestigkeit resultiert.
Anhand der durchgeführten Untersuchungen konnte der Einfluss verschiedener Graphitdegenerationen auf die Schwingfestigkeit beschrieben sowie ein Vorschlag zur Klassifizierung dieser Entartungen anhand von Schliffbildern erstellt werden. Unter Berücksichtigung des lokalen Auftretens von Graphitentartungen – im hochbeanspruchten oder niedrigbeanspruchten Bauteilbereich – kann eine Abschätzung der Schwingfestigkeitsreduzierung erfolgen, wodurch gegebenenfalls zuvor als Ausschuss klassifizierte Bauteile letztendlich doch für den Einsatz vorgesehen werden können.
Forschungsvorhaben DeGra - Beurteilung des Einflusses von degeneriertem Graphit auf das zyklische Werkstoffverhalten von Gusseisen mit Kugelgraphit für dickwandige Komponenten wurde gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie vom Forschungszentrum Jülich, Förderkennzeichen 03EE2019A, BMWK, PtJ.