Bestens ausgerichtet: Optimiertes Spritzgusswerkzeug stellt kurzfaserverstärkte Platten für unidirektionale Probekörper her
Wie lassen sich die mechanischen Eigenschaften eines Werkstoffes bestmöglich ausnutzen? Diese Frage haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF mit einem optimierten Spritzgusswerkzeug beantwortet. Das Werkzeug schont Umwelt und Ressourcen, weil sich damit Bauteile mit minimalem Gewicht zuverlässig auslegen lassen. Es ermöglicht die Herstellung von kurzglasfaserverstärkten unidirektionalen Platten, um daraus hochorientierte Probekörper für Zugversuche anzufertigen. Dazu wurde das Werkzeug so ausgelegt, dass die Verstärkungsfasern näherungsweise unidirektional (UD) in Fließrichtung ausgerichtet sind. Die Probekörper lassen sich aus der Platte in jedem beliebigen Winkel zur Fließrichtung entnehmen, um Parameter für die Materialbeschreibung zu ermitteln. Die neue Probekörpergeometrie wird winkelspezifische Materialkennwerte liefern, somit steigt die Abbildungsgüte der Versuche. Materialien können optimal modelliert und Bauteile simuliert werden, was beim Auslegen eines neuen Bauteils die Präzision erhöht und Wettbewerbsvorteile sichert.
Unabhängig vom Faseranteil erreichen faserverstärkte Kunststoffe unter Belastung parallel zur Faserrichtung ein Vielfaches der Festigkeitswerte in Querrichtung. Die analytische Beschreibung der Superposition aus Faser und Matrix über Ansätze der Mikromechanik ist Gegenstand der Forschung. Dringend benötigt werden detaillierte Kenntnisse über makroskopische, richtungsabhängige Materialdaten. Nach derzeitigem Kenntnisstand existiert kein allumfassendes Model, das die Effekte der Anisotropie berücksichtigt. Für die Erfassung der Materialdaten sind Zugversuche unter 0 Grad und 90 Grad zur Fließrichtung unabdinglich. Versuche unter weiteren Winkeln sind vorteilhaft für die zuverlässige Modellierung.
Integrative Simulation als mächtiges Werkzeug bei der Bauteilauslegung
Die in der Kunststoffschmelze enthaltenen Fasern richten sich während des Spritzgießens in der Kavität des Werkzeugs aus. Beim Füllen der Kavität entstehen durch die strömungsinduzierte Verteilung der Verstärkungsfasern und formwandnahe Scherkräfte lokal anisotrope Materialeigenschaften. »Der Herstellungsprozess muss somit in die Analyse der mechanischen Eigenschaften bei der Bauteilauslegung einbezogen werden. Die Integrative Simulation, die die Simulation des Spritzgießvorgangs mit der anschließenden FEM-Berechnung verkettet, ist zu einem mächtigen Werkzeug bei der Bauteilauslegung geworden«, erklärt Tamara van Roo, am Fraunhofer LBF verantwortlich für das Projekt.
Allgemein bilden sich bei plattenförmigen Bauteilen im Spritzgussprozess mit faserverstärkten Materialien zwei Randschichten (Orientierung in Fließrichtung) und eine Mittelschicht (Orientierung quer zur Fließrichtung) über die Plattendicke. Diese unterschiedlichen Orientierungen erschweren den Auslegungsprozess.
Konzept der UD-Platte
Sowohl für die mikromechanische Modellierung als auch für phänomenologische Kriterien werden uniaxiale Materialdaten benötigt. Für eine möglichst werkstoffnahe Beschreibung werden homogene Orientierungszustände bevorzugt. Ein derartiger Zustand ist beispielsweise eine Platte, in der 100 Prozent der Fasern in Fließrichtung orientiert sind. Dann liegt Unidirektionalität (UD) vor.
Die neue UD-Platte ist so ausgelegt, dass sie an einer Standard-Spritzgussmaschine hergestellt werden kann. Somit ist sie kostengünstig und auch für KMUs zugänglich. Mit einer Größe von 80x40x2 Millimeter ist sie doppelt so breit wie die bereits vorhandene UD-Platte, die als Basis diente. Die Probekörper 1BB oder 5B nach DIN EN ISO 527-2 sind 40 Millimeter lang und lassen sich unter jedem beliebigen Winkel zur Fließrichtung aus der neuen Platte entnehmen. So wird die Platte zu einem einfachen, aber elementaren Werkzeug zur Ermittlung der Messdaten für die Weiterentwicklung existierender Materialmodelle.
Gesteigerte Präzision in der Auslegung verschafft Wettbewerbsvorteile
Die neue Platte erlaubt die Extraktion von Probekörpern, die winkelspezifische Materialkennwerte liefern. So lässt sich die Materialmodellierung optimal anpassen, was beim Auslegen eines neuen Bauteils die Präzision steigert und Wettbewerbsvorteile verschafft. »Die Ermittlung der winkelabhängigen Kennwerte ist auch im Hinblick auf Umweltschutz wichtig. Denn Bauteile, die im frühen Konstruktionsstadium schon zuverlässig ausgelegt werden, können mit minimalem Gewicht und Materialeinsatz entwickelt werden. Das schont Ressourcen«, betont Tamara van Roo.
Zur Überprüfung der Werkzeugauslegung vergleicht die LBF-Wissenschaftlerin gemessene Faserorientierungswerte mit den Ergebnissen der Simulation. Die Simulation bietet ein valides Abbild der wahren Faserorientierung. In der Mittelschicht wird sogar die vorausgesagte Faserorientierung übertroffen. Die Messwerte geben eine Faserorientierung von mindestens 80 Prozent an. Das bedeutet, dass mehr als 80 Prozent der Fasern in Spritzrichtung orientiert sind. Es kann von einem nahezu UDZustand gesprochen werden.
Auf der diesjährigen Messe »K 2019« in Düsseldorf stellt das Fraunhofer LBF weitere Forschungsprojekte in Halle 7 am Fraunhofer-Stand SC01 sowie bei der Plastics Europe Sonderschau am Stand SC09 vor. zur Messeseite
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