Am Ende einer erfolgreichen Produktentwicklung steht der Nachweis der Produkteignung unter realen Einsatzbedingungen. Ist ein Bauteil oder eine Baugruppe Teil einer größeren Struktur, kann eine realistische Erprobung bisher nur unter Einbeziehung der Gesamtstruktur erfolgen. Die Lebensdauer von Karosseriebauteilen kann z .B. nur im Rahmen von Ganzfahrzeugversuchen abschließend beurteilt werden. Diese können jedoch erst sehr spät im Entwicklungsprozess erfolgen, wenn für die Gesamtstruktur – z. B. die gesamte Karosserie - ein Prototyp vorliegt. Werden in dieser Phase Schwachstellen in der Teilstruktur aufgedeckt, ist das für den Projektzeitplan oft kritisch – es folgen späte kostenintensive Änderungen und potentielle Verzögerungen der geplanten Markteinführung. Besser wäre es, die Teilstrukturen bereits früher in möglichst realistischen Prüfumgebungen zu testen.
Ziel dieses Teilprojekts war daher die Integration und Demonstration eines Workflows zur Ableitung und Realisierung einer realitätsnahen Erprobung einer Teilstruktur. Als Beispiel dient dabei die Struktur eines Fahrzeugbodens für ein Elektrofahrzeug, welche die Batteriezellen aufnimmt. Diese Bodenstruktur muss große mechanische Belastungen ertragen, etwa die Karosserieverwindung, die sich bei einer Schlaglochüberfahrt ergibt. Für diesen Fall soll im Demonstrationsprüfstand eine realitätsnahe Bauteilbeanspruchung erzeugt werden, obwohl statt der gesamten Karosserie nur eins der sechs Segmente der Bodenstruktur für die Prüfung zur Verfügung steht, siehe Grafik oben links.
Um dieses Ziel zu erreichen ist zunächst ein digitaler Modellierungsprozess erforderlich: In einem numerischen Modell der Gesamtstruktur wird im ersten Schritt ermittelt, welche Beanspruchung im Prüfling während des Betriebs auftreten würden, siehe Abbildungmitte links. Diese wird neben der äußeren Belastung auch durch die Steifigkeit der Umgebungsstruktur beeinflusst, welche im Prüfaufbau durch Lagerpunkte mit einstellbarer Steifigkeit nachgebildet wird. Daher wird in einem zweiten Schritt ein digitales Modell des Prüfaufbaus mit einstellbaren Randbedingungen aufgebaut. In dem Modell werden über Sensitivitätsstudien die maßgeblichen Einflussgrößen auf die örtliche Bauteilbeanspruchung identifiziert. Je mehr Anbindungssteifigkeiten als Einflussgrößen verwendet werden, desto genauer lässt sich die Beanspruchung nachbilden, jedoch mit steigendem Aufwand bei der Realisierung des Prüfaufbaus. Daher wird in diesem Schritt das Verhältnis aus Aufwand und Nutzen bewertet: Welche Freiheitsgrade müssen tatsächlich mit einer definierten Steifigkeit nachgebildet werden um eine hinreichende Genauigkeit zu erzielen? Welchen zusätzlichen Genauigkeitsgewinn kann ich durch weitere Lagerpunkte erzielen? Im Ergebnis dieses Schritts wird diejenige Prüfkonfiguration ermittelt, welche das beste Verhältnis von Prüfaufwand zu Prüfgenauigkeit bietet. Im dritten Schritt wird das digitale Modell des Prüfstands verwendet um die erforderlichen Steifigkeitswerte zu ermitteln, mit denen sich an den Schnittstellen die gleichen Schnittlasten ergeben, wie es auch in der Gesamtstruktur zu erwarten wäre.
Durch die Verwendung von einstellbaren Lagern und programmierbaren Interfaces wird eine schnelle Parametervariation ohne Umbauarbeiten möglich. Sollen verschiedene Einbausituationen – beispielsweise durch die Verwendung des Prüflings in verschiedenen Fahrzeugen – experimentell abgesichert werden, so sind zwischen den Versuchen keine Umbauarbeiten notwendig. Es muss lediglich die gewünschte Steifigkeit am Lager eingestellt werden (einstellbares Lager), oder das numerische Ziel-Modell des nachzubildenden Fahrzeuges geladen werden (Mechanisches Hardware-in-the-loop-Interface). Die Steifigkeiten von einstellbarem Lager und mHIL-Interface sind zwischen 0,4 kN / mm und „starr“ (> 60 kN/mm) stufenlos einstellbar.
Die Prüfung von Teilstrukturen mit einstellbaren Steifigkeitsrandbedingungen ermöglicht es, Bauteile und Baugruppen früher im Produktentwicklungsprozess zu validieren. Dadurch werden Schwachstellen deutlich vor der abschließenden Gesamterprobung erkannt und kostspielige Projektverzögerungen vermieden. Auch ist auf Teilstrukturebene die Prüfung größerer Stückzahlen möglich, was zu einer besseren statistischen Absicherung der Lebensdauer der Prüfteile führt. Fehlversuche, die aufgrund von Schäden in der mitgeprüften Umgebungsstruktur keine Aussage für das eigentliche Prüfteil liefern, werden vermieden. Die Verstellbarkeit der Ersatzsteifigkeitselemente erlaubt zudem die einfache Prüfung der Baugruppe für verschiedene Varianten der Umgebungsstruktur, etwa von unterschiedlichen Karosserieversionen. Insgesamt ermöglichen die einstellbaren Anbindungselemente somit einen schnelleren erfolgreichen Abschluss der Produktvalidierung.