Herkömmliche Flammschutzmittel in Kunststoffprodukten schützen vor Bränden, sind aber in vielen Fällen umweltschädlich und oft toxikologisch bedenklich. Diesbezüglich vorteilhafter sind phosphorhaltige Flammschutzmittel, die aber auch größtenteils aus fossilen Ressourcen hergestellt werden. Biobasierte Flammschutzmittel können eine gute Alternative sein, haben aber noch Nachteile und sind daher Nischenprodukte. Wir haben ein zukunftsweisenden Konzept entwickelt, das die Ausnutzung der speziellen Struktureigenschaften von Naturstoffen wie Cellulose und Zuckeralkoholen beinhaltet, und haben dieses für die Synthese völlig neuer phosphorhaltiger Flammschutzmittel angewendet. Die Entwicklungsarbeiten erfolgen in enger Zusammenarbeit mit Industrieunternehmen.
Für viele Brandkatastrophen sind leichtentzündbare Kunststoffmaterialien mitverantwortlich. Um dieses Risiko zu vermindern, werden Flammschutzmittel in Kunststoffe eingebracht, die unverzichtbar in vielen Einsatzgebieten moderner Polymermaterialien sind. Ihre Produktionsmenge nimmt stetig zu und sie gewinnen im Zuge der Elektromobilität sowie dem Trend zu Leichtbauanwendungen weiter an Bedeutung.
Flammschutzmittel können schädlich für Mensch und Umwelt sein, wenn sie Halogene und Antimonoxid enthalten. Die Einführung phosphorhaltiger Flammschutzmittel war ein großer Schritt vorwärts, da diese aus toxikologischer und ökotoxikologischer Sicht vorteilhafter sind und trotzdem effizient wirken. Allerdings werden sie wie die halogenhaltigen Flammschutzmittel größtenteils aus fossilen Ressourcen hergestellt.
Biobasierte, nachhaltig erzeugte phosphorhaltige Flammschutzmittel können eine gute Alternative sein. Deren Entwicklung ist ein Forschungsgebiet, das erst seit einigen Jahren intensiv bearbeitet wird, dessen Relevanz aber rasch anwächst. Die bereits verfügbaren biobasierten Flammschutzmittel haben Nachteile, zum Beispiel höhere Herstellungskosten und eine geringere thermische Stabilität und sind gegenwärtig nur Nischenprodukte.
Wir am Fraunhofer LBF haben phosphorhaltige Flammschutzmittel entwickelt, die biobasiert sind und hocheffizient wirken, bis ca. 280°C stabil sind und weitere vorteilhafte Anwendungseigenschaften besitzen. Darüber hinaus haben die Forschenden ein zukunftsweisendes Konzept entwickelt, das die Ausnutzung der speziellen Struktureigenschaften von Naturstoffen beinhaltet, um die neuen Flammschutzmittel mit Eigenschaften auszustatten, die bei Verwendung von aus fossilen Quellen erzeugten Ausgangstoffen nur schwer erreichbar sind.
Um dieses Konzept zu verwirklichen, wurden Cellulose und der Zuckeralkohol Erythritol als Ausgangsstoffe gewählt. Erstere ist ein natürliches Polymer mit faszinierender Molekülstruktur und der in größter Menge verfügbare organische Reinstoff. Erythritol hat eine geeignete Struktur, um daraus eine reaktive Phosphorverbindung zu erzeugen, welche an die Cellulosemoleküle gebunden wird. Zudem wird dieser Zuckeralkohol in großen Mengen kostengünstig mit einem fermentativen Prozess erzeugt. Den Forscherteams gelang es, unter Verwendung dieser Ausgangstoffe neuartige, makromolekulare Flammschutzmittel mit einem nachhaltigen Prozess zu synthetisieren.
Die LBF-Forscher entwickelten einen effizienten, zweistufigen Prozess, für den keine chlorhaltigen Chemikalien und toxikologisch problematischen Lösungsmittel benötigt werden und bei dem keine Stoffe entstehen, die entsorgt werden müssen. Dieser Syntheseprozess beinhaltet die Veresterung der Cellulose zu acrylatfunktionalisierten Celluloseestern, an deren Doppelbindungen anschließend ein reaktives Phosphor-Derivat des Erythritols addiert wird.
Der erste Syntheseschritt – die Cellulose-Veresterung – erfolgt in analoger Weise wie die seit vielen Jahrzehnten großindustriell durchgeführte Herstellung von Cellulosetriacetat.
Zuvor konnten Celluloseacrylate nur sehr aufwendig synthetisiert werden, so dass sie bisher keine praktische Anwendung finden konnten. Neben der viel besseren Effizienz und Nachhaltigkeit besteht ein besonderer Vorteil der neuen Methode in der Möglichkeit, die Struktureigenschaften der Ester in weiten Grenzen zu verändern bzw. anzupassen. Der zweite Syntheseschritt, d. h. die Addition der Erythrit-basierten Phosphorverbindung an die Doppelbindungen der Acrylatfunktionalitäten der Celluloseester, lieferte die neuen Flammschutzmittel mit hoher Reinheit.
Wir am Fraunhofer LBF haben phosphorhaltige Flammschutzmittel entwickelt, die biobasiert sind und hocheffizient wirken, bis ca. 280°C stabil sind und weitere vorteilhafte Anwendungseigenschaften besitzen. Darüber hinaus haben die Forschenden ein zukunftsweisendes Konzept entwickelt, das die Ausnutzung der speziellen Struktureigenschaften von Naturstoffen beinhaltet, um die neuen Flammschutzmittel mit Eigenschaften auszustatten, die bei Verwendung von aus fossilen Quellen erzeugten Ausgangstoffen nur schwer erreichbar sind.
Gemeinsam mit den Chemieunternehmen Clariant und BASF SE sowie dem Kunststoffverarbeiter ARGUS Plastics Additive GmbH werden die neuen Flammschutzmittel an den Einsatz in Polyolefinen und speziellen Polyamiden angepasst und die Voraussetzungen für eine industrielle Herstellung geschaffen. Die Ergebnisse der aktuellen Entwicklungsarbeiten zur Strukturoptimierung, Maßstabvergrößerung des Herstellungsprozesses sowie detaillierter Flammschutztests zeigen, dass die neue Klasse biobasierter Flammschutzmittel ein großes Anwendungspotential hat und zukünftig eine erhebliche Bedeutung für die Verhinderung von Kunststoffbränden erlangen kann.
Auch die als Zwischenprodukte der Flammschutzmittelsynthese erhaltenen acrylatfunktionalisierten Celluloseester sind von großem industriellem Interesse (methacrylatfunktionalisierte Ester sind ebenfalls zugänglich). Derzeit werden sie für Harz- und Klebstoffanwendungen erfolgreich getestet, doch können sie vielfältige weitere Anwendungen finden.
Die Entwicklung der biobasierten Flammschutzmittel erfolgt in einem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Projekt (Projektträger: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.; Laufzeit: 07/2021-06/2024; Förderkennzeichen: 2220NR032A).
Als Kooperationspartner sind folgende Unternehmen involviert:
Erste Arbeiten zur Flammschutzmittelentwicklung wurden in einem BMBF-Projekt durchgeführt; 2018-2019; Förderkennzeichen: 031B0719).
Der Einsatz von acrylat-/methacrylatfunktionalisierten Celluloseestern in Klebstoffen und Harzen ist Gegenstand eines weiteren von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. geförderten Projektes (01/2022-12/2024; Förderkennzeichen: 2221HVO93X).
An der Projektbearbeitung sind folgende Unternehmen beteiligt:
Patentanmeldung: WO 2021 048335 (veröffentlicht:18.03.2021): Phosphorhaltige Celluloseester, Verfahren zu ihrer Herstellung, Verwendung und Flammschutzmittel; Anmelder: Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der Angewandten Forschung e. V.; Erfinder: Michael Ciesielski, Elias Chalwatzis, Robin Nezami.